Dossiers - Meinung
Bild hamma schon mal gehabt
Die Beratungsstunde ist jetzt ungefähr 20 Minuten alt. Mein Gegenüber verfügt über einen analytischen, psychologisch geschulten Verstand, und auch rhetorisch ist er ganz gut drauf. So reihen sich Fakten an Fakten. Inhaltlich geht´s um die bevorstehende Scheidung, seine finanzielle Situation, die neue Partnerin, seine neue Wohnung und die Situation mit den Kindern. Alles wird fein säuberlich seziert und mit der einen oder anderen These garniert. Ich versuche zu folgen, zu verstehen und Schritt zu halten. Schließlich verfüge ich ja auch über einen analytischen, psychologisch geschulten Verstand ...Irgendwann fällt mir auf, dass ich sehr angespannt bin, die Luft anhalte. Außerdem steigt leichte Verzweiflung in mir hoch, da ich trotz der präzisen ausführlichen Erzählungen dieses Mannes für mich keinen roten Faden finde und immer orientierungsloser werde.
Hm, was tun? Gern würde ich zu den Thesen 3 und 4 von vor 10 Minuten meinen Senf dazugeben. Und diesen einen Nebensatz will ich auch nicht so stehn lassen!
Ich will den Kontakt zu mir nicht verlieren, und so bitte ich den Mann, seine Erzählung zu unterbrechen. Ich sage ihm, wie’s mir jetzt geht: Ich kenn mich vorn und hinten nicht mehr aus, bin leicht verzweifelt und sehr angespannt.
Schweigen. Ich krieg wieder Luft. Er lehnt sich zurück und lächelt. So geht’s mir auch, sagt er dann. Auf der Inhaltsebene des Gesprächs ist jetzt Sand im Getriebe. Wo weiter? Wir wissen es beide grad nicht.
Wir tauschen uns darüber aus, dass wir gerade jetzt, wo auf der Inhaltsebene des Gesprächs Nebel liegt, entspannt sind. Ein neues Gesprächsklima, weil wir beide Kontakt zu unserem Gefühl haben.
Für die letzte Viertelstunde wählt der Mann ein Thema aus. Keine Thesen mehr. Er überlegt was er dabei wahr nimmt und welche Gefühle bei ihm da sind und was er will. Das reicht!
Autor: Manfred Faschingeder, Männerberatung St. Pölten
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