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Dossiers - Beziehungen

In guten wie in schlechten Zeiten

Es gibt sie: Ehen, die über viele Jahrzehnte Bestand haben
Im Jahr 2005 hat die Scheidungsrate in Österreich einen neuen Höhepunkt erreicht. Nahezu jede zweite Ehe endete vor dem Richter. In Wien war es sogar bei 63,3 Prozent nicht der Tod, der die Paare voneinander schied. Zugleich bietet die gestiegene Lebenserwartung immer mehr die Möglichkeit, einer Ehe eine lange Dauer zu geben.

Sie waren bereits zwei Jahre verheiratet, als der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Den 20. Hochzeitstag feierten sie, als John F. Kennedy ermordet wurde. Bis heute hat das Ehepaar Huber einander die Treue gehalten. „Wir sind seit 63 Jahren verheiratet“, sagt Herr Huber nicht ohne – berechtigten – Stolz.
Kennen gelernt haben der heute 87-Jährige und seine um drei Jahre jüngere Gattin im Oktober 1942. Für Herrn Huber war es Liebe auf den ersten Blick. Ein schnelles Wiedersehen war allerdings schwierig: Sie lebte in Berlin, er in Linz. Doch der briefliche Kontakt sollte die Beziehung aufrecht erhalten. Bereits nach einem Jahr wurde geheiratet – nach nur drei Begegnungen. Doch diese reichten aus, um beiden das starke Gefühl zu geben, füreinander bestimmt zu sein.

Streiten ohne zu kränken
In den schwierigen Jahren während des Kriegs und danach sieht das rüstige Ehepaar einen wichtigen Grund für die lange Ehe. Früh haben sie gelernt, „gute sowie schlechte Zeiten“ gemeinsam durchzustehen.
Doch Frau und Herr Huber weisen auch darauf hin, dass eine gute und lange Ehe nicht gleichbedeutend mit völliger Harmonie ist. Meinungsverschiedenheiten gilt es nicht zu unterdrücken, sondern mit dem nötigen Respekt voreinander auszutragen. Wichtig sei dabei allerdings, dass im Partner kein Groll und keine Kränkung zurück bleibe. Unter eine Auseinandersetzung müsse ein Schlussstrich gezogen werden. „Wir sind nicht nachtragend“, betont Frau Huber.

Realismus statt Illusionen
Das Ehepaar Faustner wird in diesem Jahr seinen 40. Hochzeitstag feiern. Liebe auf den ersten Blick sei es zwar nicht gewesen, doch „die Liebe ist mit der Zeit gewachsen“, erklärt Herr Faustner, „wir konnten ohne Illusionen etwas beginnen.“ Dass die Verliebtheit nicht dominierend gewesen sei, habe sich durchaus positiv auf die Ehe ausgewirkt. Der frühere Unteroffizier und die aus Prag stammende Büroangestellte haben einander im Krankenhaus kennen gelernt.
Auch das Ehepaar Faustner kann sich an schwierige Zeiten erinnern. „Wir hatten eine Krise“, bekennt der 69-Jährige. Eine echte Krise, die beide gemeistert haben. Wie? Die Antwort seiner Frau ist ebenso prompt wie einfach: „Viel miteinander reden.“ Überdies lerne man von schmerzhaften Erfahrungen, noch mehr als durch noch so gute Ratschläge, fügt Herr Faustner hinzu.
Heute hätten die Menschen zu viele Illusionen und überhöhte Wünsche an den jeweiligen Partner. „Dadurch ist der Einzelne überfordert“, ist Herr Faustner überzeugt. Denn: „Der Andere ist ja auch nur ein Mensch.“ Dieses Bewusstsein gelte es zu fördern, dann könne man konstruktiv an der Beziehung arbeiten.
Ebenso wichtig sei es, dem Anderen und sich selbst den notwendigen Freiraum zu geben, weiß Frau Faustner. „Wenn wir einander auf die Nerven gehen, ist das ein Alarmsignal“, betont Herr Faustner, und seine Frau lächelt: „Dann unternehmen wir für einige Stunden etwas getrennt voneinander.“

Von Michael Link. Der Autor ist freischaffender Journalist.

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