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Meinung “X an y“

Ein erwachsenes Gegenüber

Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten viel in ihre eigene Entwicklung investiert, um sich selbst besser wahrzunehmen, sich ein Stück näher zu kommen, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln – klar Ja und Nein sagen zu können und sich nicht vorschnell anzupassen, um Gefühle wahrzunehmen und Wünsche auszusprechen.
Für Paare sind die eigenen Eltern oft als Modell des Umgangs miteinander nicht mehr geeignet. Das verunsichert, weil Paare nun selbst entwickeln müssen, wie sie miteinander reden, wie sie einander an Gedanken und Gefühlen und Bedürfnissen teilhaben lassen, wie sie diese ausdrücken und einander mitteilen.
Immer wieder sagen mir Männer, das mache sie unsicher: Weil sie so wenig geübt seien, Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, einerseits ohne zu viel zu plaudern und andererseits ohne wortkarg zu sein. Einander ein erwachsenes Gegenüber zu sein, und zugleich spielerisch und manchmal unbeschwert zu sein – das ist nicht einfach.

Manchmal stark und manchmal schwach
Ich höre Klagen von Frauen, die enttäuscht sind, dass sie nur schwer einen Mann finden, der Freude an einem gleichwertigen Gegenüber hat, der Rollen erproben mag, der aushandeln kann, wie sich beide als Paar einbringen und der sich damit auseinandersetzt, wie Konflikte ausgetragen und Konsens gesucht wird. Sich gegenseitig zu bewundern, sich gegenseitig zu verwöhnen, manchmal nachzugeben und sich manchmal durchzusetzen, manchmal stark zu sein und manchmal schwach … - das will gelernt und geübt sein.
Männer müssen nicht „Krieger“ oder „König“ oder „Sohn“ oder was auch immer sein. Frauen wünschen sich einfach ein erwachsenes Gegenüber.
Ist das denn so viel verlangt?

Autorin: Helga Kohler-Spiegel, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin

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