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Dossiers - Meinung

Realitätsschub - Gewalt gegen Frauen

Ein Praktikum in einer Frauenberatungsstelle hat mir u.a. einen „Realitätsschub“ gebracht. Die bekannte Zahl, dass ca. jede vierte Frau in ihrem Leben Gewalt durch Männer erlebt, füllte sich neu mit Lebensgeschichten.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mit diesem enormen Ausmaß an Gewalterfahrungen in unserer Gesellschaft konfrontiert war – und doch gingen mir die Augen neu auf.
Opfer von häuslicher Gewalt sind eben v.a. Frauen und Kinder, Täter v.a. Männer – von den Großvätern bis zu den Söhnen. Die Gewalt reicht vom verbalen „Heruntermachen“ bis zu körperlicher, oft sexualisierter Brutalität. (Fast) immer geht es dabei um die Installierung oder Festigung eines Machtgefälles.
Gewalttäter zeigen selten Einsicht in die Problematik ihres Verhaltens und für ihre Opfer wird es am gefährlichsten, wenn sie sich aus den von Gewalt geprägten Beziehungen zu lösen beginnen. Die Botschaft scheint dann zu lauten: „Du kannst dich zwar vielleicht von mir scheiden lassen, aber du entgehst meiner Macht nicht.“ Und dann wird diese Macht gezeigt im Verweigern von Unterhaltszahlungen, mittels Druck über die Kinder, durch Drohungen, durch Stalking ...

Ich weiß, dass es gerade für Männer, die Gewalt ablehnen, bitter ist, sich dieser Realität zu stellen. Der ungeschönte Blick auf die Folgen der Ideologie der Vorherrschaft der Männer und auf deren weniger als halbherzige gesellschaftliche „Überwindung“ ist nicht leicht auszuhalten. Er fordert dazu heraus, sich und einander Rechenschaft zu geben, wo wir selbst an der Aufrechterhaltung von Geschlechterhierarchien Anteil haben, und dazu, konsequenter an ihrem Abbau zu arbeiten sowie entschiedener für die Opfer Partei zu ergreifen.
Ob das schlau von mir ist, meine Kolumnen in diesem Männermagazin mit diesem schweren Thema zu beginnen? Billiger geht es aber leider nicht – um der Betroffenen willen: unserer Gesellschaft.

Veronika Prüller-Jagenteufel, Chefredakteurin „Diakonia“.

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