Dossiers - Mann sein
Globalisierte Männlichkeiten
Diese Männer sind mit traditionellen Lebens- und Deutungszusammenhängen, wie z.B. Familie, Arbeit, Vereine, Kirchen nicht mehr verbunden. Sie sind damit auch losgelöst von jenen Kompromissen, die Männer bisher mit ihren Arbeitgebern, Familien und Frauen schließen mussten. War Männlichkeit traditionell von Unabhängigkeit geprägt, so ist das Neue dieses Typs doch das ungeheure Ausmaß der Autonomie.Wirtschaft über alles
Gleichzeitig kommt es durch eine zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeitsbereich und Privatleben. Die Familie ist dann nicht mehr Rückzugsort und ruhender Pol in den Stürmen des Lebens, sondern wird zur Versammlung mehrerer Ich-AGs. Sport ist dann nicht mehr erholsame Freizeitbetätigung, sondern wird als „Bodywork/ Bodystyling“ zu einer Ressource, um im wirtschaftlichen Alltag zu bestehen.
Es scheint, als seien damit Ideen der Gründerväter des Neoliberalismus, die sich 1947 in der männerbündischen „Mont Pelerin society“ zusammengeschlossen haben, Wirklichkeit geworden. In Schriften dieser Zeit wird sehr offen allein die „Wildnis“ des Marktes als „leistungsgerecht“ dargestellt. In dieser Wildnis dominieren männliche Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Härte, Mut, Tüchtigkeit, Beharrlichkeit, etc., die dann als „Flexibilität“, „Aktivität“ und „Leistungsstärke“ idealisiert werden. Dem Sozialstaat steht man ablehnend gegenüber, weil er „verweichliche“ und Männlichkeit „effeminiere“. Eva Kreisky drückt dies treffend aus: „Die `Ramboisierung´ von Ökonomie und Gesellschaft gibt das auch maskulinistisch geprägte Leitbild des Neoliberalismus ab.“
Untaugliches, aber wirksames Leitbild
Wenngleich diese Business-Männlichkeit nur eine kleine Gruppe von Männern unmittelbar betrifft, so hat sie über die Forderung nach „Flexibilität“ große Auswirkung auf alle Männer und Frauen. Flexibilität ist schwer vereinbar mit den Bindungen und Verantwortungen von Elternschaft. Auf der Basis des in unserer Gesellschaft dominierenden Modells der Familienernährer/ Zuverdienerinnen-Ehe hat sie unterschiedliche Auswirkungen auf Väter und Mütter. Einerseits bestärkt es Männer, sich vermehrt den Bedingungen des Arbeitsmarktes zu unterwerfen und sich dadurch von familiärer Arbeit zu entfernen. Gleichzeitig macht es Frauen das Bestehen am Arbeitsmarkt aufgrund ihrer familiären Bindungen erheblich schwieriger.
Die geschlechtergerechte Verteilung von Berufs- und Familienarbeit erweist sich in diesem Zusammenhang auch als ein Beitrag, um die Ökonomie wieder als konstruktives Element des sozialen Zusammenlebens zu integrieren.
Von Erich Lehner. Der Autor ist Männerforscher und Psychoanalytiker.
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