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Mit Töchtern wachsen

„Aber das nächste Kind wird schon ein Bub.“ „Man muss eh nehmen wie´s kommt – Hauptsach’ g’sund sinds.“ Und hin und wieder im Witz verkleidet: „Hast nix besseres z’sambracht?“ Ich weiß gar nicht mehr so sicher, ob ich gerade diesen letzen Satz von anderen Männern wirklich so gehört habe, oder ob mich diese Frage selber auch beschäftigte.
Mit Töchtern wachsen -
Mit Töchtern wachsen - © Melissa Schalke - Fotolia.com
Eines weiß ich noch gut: Im Kopf sagte ich mir egal, ob Mädchen oder Bub ... ich mag sie alle gleich. Im Herzen wünschte ich mir sehr wohl aber auch einen Buben. Drei Mädchen sind’s dann geworden. Ich merkte eine Traurigkeit darüber, meinesgleichen – einen Buben – nicht ins Leben begleiten zu können. Erst als ich dies akzeptierte, konnte ich wirklich frei werden für eine herzliche und unmittelbare Beziehung zu meinen Töchtern.

Wie hätte ich einen Sohn erzogen?


Ich konnte frei werden für die volle Achtung und Liebe meiner Töchter. Später erkannte ich in meiner Trauer auch Reste aus längst vergangen gemeinten patriarchalischen Abwertungen von Mädchen. Auch ertappe ich mich heute noch, wenn ich vergleiche. Wäre ich bei einem Sohn auch so gelassen gewesen, wenn er ebenso eine so selbstbewusste und natürlich auch eigenwillige -  wenig auf Absicherung - als viel mehr auf Lebendigkeit und Unabhängigkeit abgerichtete  Lebensgestaltung entwickelt hätte wie meine Töchter?
Ich erschrecke, wie schnell ein Gedanke sich als Beruhigungsmittel einschleicht, dass Mädchen im worst case ohnehin auch glücklich werden können, in dem sie eine gute Partie machen. Die logische Konsequenz wäre ja dann auch, Söhne zu verantwortlichen, Frauen glücklich machenden Männern zu erziehen. Ich habe meine Töchter niemals dazu erzogen, dass sie von glücklichmachungsfähigen Männern abhängig wären. Meine Töchter haben eine hohe individuelle Selbständigkeit auf mehr oder weniger angepasster und unangepasster Weise entwickelt. Und ich bin stolz, dass ich sie dazu begleiten konnte.

Der erste Mann in ihrem Leben


Und auch meine Töchter sind darauf stolz. Aber wenn ich unsicher werde, dann überkommen mich die alten patriarchalischen Muster – auch wenn sie nur zu meiner Beruhigung dienen und nicht meine grundlegende Werthaltung darstellen. 
Ich war und bin wichtig als Vater für die Entfaltung und Identitätsentwicklung meiner Töchter zu liebenswerten und liebesfähigen Frauen. Ich denke, ich war ihnen das erste Modell einer Mann-Frau-Beziehung. Ich denke sie lernten an mir auch, was sie einmal nicht haben wollen. Und sie lernten auch, eine herzliche Beziehung zu einem Mann zu leben, die nicht mit sexuellem Begehren vermischt war. Sehr wohl lernten sie auch an mir als Mann, was für sie attraktiv und weniger attraktiv ist. Und ich habe meine Freude damit. Ich konnte lernen, ein Stück meines patriarchalen Sicherheits- und Mächtigkeitsdenkens in Fürsorge zu verwandeln,  in eine gleichwertige, wertschätzende und Anteil nehmende Gestaltung unserer Beziehung.

Von Leo Pöcksteiner  . Der Autor ist Sozialarbeiter und Psychotherapeut.

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