Dossiers - Meinung “x an y“
„Das ist doch nur was für Mädchen ...“
Zu viele seiner Freunde und Schulkollegen fanden Tanzen zu mädchenhaft und trotz aller elterlichen Gegenimpulse wollte Philipp irgendwann einfach nicht mehr in die Tanzschule.In manchen Pfarren geht es Buben mit dem Ministrieren so: Irgendwann finden es viele „blöd“, mit Mädchen in der Gruppe zu sein. Verstärkt wird das, wenn die Ministrantengruppen nicht von einem gemischtgeschlechtlichen Team geführt werden.
Hier zeigt sich, was feministische Theorie schon lange in Bezug auf Schule und Freizeitpädagogik zu Tage gebracht hat: dass die Koedukation zwar unumstritten gut und wichtig ist, aber ein Gegengewicht braucht in geschlechtsspezifischen Gruppen bzw. Gruppenphasen. Es ist nötig, sorgfältig Räume zu kultivieren, in denen Mädchen und Buben Identität und Selbstbewusstsein im Miteinander mit ihren Geschlechtsgenossinnen und -genossen aufbauen können. Vielleicht ermöglicht das dann auch, die jeweils Anderen nicht primär „blöd“ zu finden.
Schade bleibt, dass sich an dieser Stelle auch die nach wie vor bestehende Höherbewertung des Männlichen in unserer Gesellschaft zeigt: Mädchen (und Frauen) werden mittlerweile ermutigt, sich in „Männerdomänen“ vorzuwagen und ernten dafür immer öfter Anerkennung und Unterstützung. Buben (Männer?) haben dagegen offenbar immer noch Angst, etwas von ihrem Mannsein zu verlieren, wenn sie in „Frauendomänen“ vorstoßen bzw. wenn sie sich nicht rechtzeitig von Bereichen abwenden, in die vermehrt Frauen nachziehen. So sind schon eine ganze Reihe Berufe fast völlig „verweblicht“: vom Lehrberuf bis zur Werbebranche.
Schade, denn sowohl Erziehung und Kreativität als auch Tanz und Altardienst sind in beiden geschlechtlichen Varianten bewährte Bausteine unserer gemeinsamen Kultur.
Veronika Prüller-Jagenteufel, Chefredakteurin „Diakonia“
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